Johann

Scheerer,

Wir sind dann wohl die Angehörigen

Die Geschichte einer Entführung, Piper 2018, 236 S.

Zuerst überwog die Skepsis. Muss das sein, dass der Sohn Jan Philipp Reemtsmas nach über 20 Jahren die Geschichte der Entführung seines Vaters aufschreibt? Wo doch Reemtsma selbst schon vor langer Zeit ein sehr kluges Buch über seine Entführung verfasst hat („Im Keller“). Johann Scheerer, heute ein erfolgreicher Musikproduzent, war 13 Jahre alt, als er zusammen mit seiner Mutter, Freunden und Angehörigen lange 33 Tage um das Leben des Vaters zittern musste. Diese Zeit des Wartens und Bangens erzählt Scheerer mit einem erfrischenden Mix aus Detailgenauigkeit, Selbstanalyse, Empathie und, ja, auch mit Humor. Die intimen Einblicke in den Familienkreis geraten ihm dabei nie denunziatorisch, die Schilderung des Seelenlebens eines 13-Jährigen mit E-Gitarre und abwesendem Vater gelingt dem Autor höchst authentisch und durchaus literarisch ambitioniert.